Ich mache mir Sorgen um jemanden auf Stellensuche

Die Stellensuche ist mit viel Ungewissheit verbunden, was die berufliche Zukunft anbelangt. Mit einem Gespräch und vor allem mit Zuhören kannst du dazu beitragen, dass es der betroffenen Person besser geht. Diese Gesprächstipps helfen dir dabei.

Wer seine Arbeit verliert, verliert auch die gewohnte Alltagsstruktur. Zudem fallen die sozialen Kontakte mit den Arbeitskolleg*innen weg. Manche Menschen können gut damit umgehen. Andere fühlen sich einsam und vermissen das Gefühl gebraucht zu werden oder einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Wenn der Druck durch die Stellensuche anhält und zusätzlich finanzielle oder andere Sorgen hinzukommen, kann dies die Gesundheit belasten.

Hast du beobachtet, dass deine Partnerin, ein Freund oder ein Familienmitglied sich über mehrere Wochen oder Monate

  • zurückzieht und nicht mehr meldet
  • häufig unkonzentriert ist oder gereizt reagiert
  • tagsüber im Bett bleibt oder nachts nicht schlafen kann
  • irgendwie verändert oder traurig wirkt?

Psychische Belastungen nehmen oft schleichend zu. Manchmal hören Gefühle wie Angst, Wut oder Traurigkeit nicht mehr auf und werden immer bedrückender. Sie bestimmen den Alltag immer mehr. Dann ist es Zeit, etwas zu unternehmen.

Reden hilft

Über Ängste, Stress, Überforderung und andere negative Gefühle zu reden, ist der erste Schritt zur Besserung. Wenn du deine Beobachtungen ansprichst, hilfst du, dass aus der Sorgenlast oder Krise keine psychische Erkrankung entsteht.

Gespräche motivieren

Wer sich auf Stellensuche befindet, wird laufenden von fremden Menschen bewertet. Auch wenn Arbeitslosigkeit jeden treffen kann und Absagen zum Bewerbungsprozess gehören, können Selbstzweifel und Schamgefühle aufkommen. Ein offener und direkter Umgang damit ist hilfreich. Wenn dein Freund oder deine Kollegin mit dir offen über allfällige Schamgefühle sprechen kann, kannst du diese besser entkräften und dazu beitragen, dass er /sie sich besser von Absagen abgrenzen kann.

Gespräche entlasten und geben Kraft

Gespräche allein lösen keine Probleme in Luft auf. Erwarte nicht, dass sich nach eurem Gespräch gleich alles verändert. Aber: Ein Gegenüber zu haben, das zuhört, sich interessiert und mitfühlt, entlastet und tut gut.

Du brauchst die Probleme nicht zu lösen

Die Angst davor, die angesprochenen Probleme lösen zu müssen, hält viele von einem Gespräch ab. Du kannst weder die Arbeitssituation noch private Gegebenheiten deiner Kollegin verändern. Dein offenes Ohr und dein Interesse sind bereits die Hilfe.

Gespräch herbeiführen

Beachte deine eigene Stimmung

Such das Gespräch dann, wenn du dich gut fühlst und es dir zutraust. Eine eigene positive Grundhaltung ist zentral für ein aufbauendes Gespräch.

Überleg dir einen geeigneten Zeitpunkt

Gespräche mit Tiefgang nehmen Zeit in Anspruch. Beginn also kein Gespräch, wenn du oder dein Gegenüber nach 10 Minuten wieder losmüssen. Manchmal hilft es zu fragen, wann die Person Zeit für ein Gespräch hat.

Ich möchte gerne in Ruhe mit dir reden. Wann hättest du mal Zeit?

Struktur im Alltag ist auch für Stellensuchende wichtig. Manchmal fällt die Balance zwischen selbst geschaffenen Strukturen und Freizeit schwer. Respektiere es, wenn die Person gerade keine Zeit für ein Gespräch hat, aber bleib dran:

Ich verstehe, dass die Bewerbungen im Moment erste Priorität für dich haben, aber ich möchte dich gerne sehen. Wann können wir uns für 1 Stunde treffen?

Finde einen geeigneten Ort

Ihr solltet ungestört sein und euch beide wohlfühlen. Vielen Menschen fällt es im Gehen leichter, über schwierige Dinge zu sprechen. Allenfalls könnte ein Waldspaziergang eine gute Gelegenheit sein.

Ich brauche wieder mal etwas frisch Luft in der Natur. Begleitest du mich auf einem Spaziergang?

Es ist o.k., wenn es nicht klappt

Es ist möglich, dass dein Gegenüber nicht auf dein Gesprächsangebot einsteigt. Nimm es nicht persönlich. Vielleicht fühlt sich die andere Person momentan nicht in Stimmung oder vielleicht muss sie erst Mut fassen. Versuch es später wieder, aber ohne Druck auszuüben.

O.k., das verstehe ich. Wann würde es dir passen?

Übrigens: Du kannst dich auch beraten lassen, wie du am besten vorgehen sollst. Du findest hier Adressen und Angebote.

Das ist wichtig im Gespräch

So kannst du anfangen:

Ich mache mir Sorgen um dich, du wirkst in letzter Zeit etwas bedrückt.

Es beschäftigt mich, dass du nicht mehr an unsere Treffen kommst. Geht es dir nicht so gut?

Ich habe gehört, dass du auf Stellensuche bist. Wie geht es dir dabei?

Zuhören ist das Wichtigste

Viele Menschen haben Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Sie unterschätzen dabei, wie gut es tut, wenn jemand einfach mal zuhört und Anteil nimmt. Geh mit der Einstellung ins Gespräch, dass du nachempfinden möchtest, was die andere Person fühlt. Überlege dir gute Fragen, statt nach Antworten zu suchen.

Kannst du sagen, was dir im Moment guttut?

Wie fühlt es sich an, wenn du in der Situation bist?

Angenommen, es ginge dir schon etwas besser: Was wäre dann anders?

Mitgefühl zeigen

Es tut gut, wenn man sich verstanden fühlt. So kannst du dein Mitgefühl ausdrücken:

Ich kann nachvollziehen, dass dich das belastet.

Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht.

Schweigen aushalten

Im Gespräch über schwierige Situationen fehlen manchmal allen die Worte. Lass Pausen und Schweigen zu. Um das Gespräch wieder in Gang zu bringen, hilft manchmal auch die Aussage:

Ich weiss jetzt auch grad nicht, was sagen.

Eigene Grenzen ernst nehmen

Wenn du den Eindruck hast, dein Gegenüber brauche mehr Unterstützung, kannst du sagen:

Ich weiss da jetzt auch nicht weiter.

Da fühle ich mich ratlos.

Hast du dir schon einmal überlegt, mit einer Fachperson zu sprechen?

Du findest hier passende Adressen und Angebote. Das ist aber nicht immer nötig.

Weitere Hilfe nur anbieten, wenn du magst

Deine Aufmerksamkeit und Bereitschaft zuzuhören, sind eine grosse Hilfe für dein Gegenüber. Es ist nicht schlimm, wenn es dabei bleibt. Wenn dir danach ist, kannst du praktische Hilfe anbieten, z.B. im Gegenlesen der Bewerbung. Oder du belässt es beim Zuhören:

Du kannst gerne wieder mit mir darüber sprechen, wenn du magst.

Das solltest du vermeiden

Keine Schuldzuweisungen

Versuche Verständnis für die Gefühle deines Gesprächspartners zu zeigen; ohne zu werten. Das hilft:

Es ist o.k., wenn du dich gerade nicht gut fühlst.

Aussagen wie «Versuche das Positive daran zu sehen» sind nicht hilfreich. Wenn die Person dies nicht kann, denkt sie womöglich, dass sie wieder nicht genügt und fühlt sich als Versager.

Vergiss nicht: Wenn es deiner Freundin nicht gut geht oder eine psychische Erkrankung vorliegt, ist das nie eine Frage des Willens!

Keine Ratschläge und Tipps

Wir tendieren dazu, Lösungen anbieten zu wollen. Aussagen wie: «Du solltest mehr unter die Leute gehen und dich vernetzen» oder «Die nächste Bewerbung klappt bestimmt» führen dazu, dass die Betroffenen sich unter Druck fühlen. Vermeide es, Tipps zu geben, was, wie und wann etwas gemacht werden muss. Aussagen wie «du solltest jeden Tag um 8 Uhr aufstehen, damit du Struktur im Alltag hast» sind nicht förderlich.

Nicht von eigenen Problemen sprechen

In der guten Absicht, Verständnis und Mitgefühl auszudrücken, sprechen wir manchmal von eigenen Problemen. Dein Gegenüber fühlt sich dadurch leicht nicht ernst genommen. Hast du selbst eine sehr ähnliche Situation erlebt, teile deine Erfahrungen und was dich in dieser Zeit getragen hast.

Keine Diagnosen stellen

Selbst wenn du vermutest, dein Gegenüber leide an einer spezifischen Erkrankung: Überlass die Diagnosestellung einer Fachperson! Dein Gegenüber fühlt sich sonst abgestempelt.

Keine Verniedlichungen

Sag nicht: «Geniesse deine Freiheit» oder «Eine Krise ist eine Chance». Durch solche Aussagen besteht die Gefahr, dass sich die Betroffenen nicht ernst genommen fühlen.

Dränge dein Gegenüber nicht

Gehe mit der Haltung ins Gespräch, dass du nicht mehr erfahren willst, als dein Gegenüber bereit ist zu erzählen. Respektiere, wenn die andere Person das Gespräch abbricht. Du kannst es später wieder versuchen.

Gespräch beenden

Manchmal wird einem im Gespräch alles zu viel. Diese Sätze helfen dir, einen guten Gesprächsabschluss zu finden.

Ich glaube, im Moment kommen wir nicht mehr weiter. Ist es für dich o.k., wenn wir über etwas anderes sprechen?

Mich macht deine Situation sehr traurig. Ich wäre froh, etwas frische Luft zu schnappen und erst später wieder darüber zu sprechen.

Jetzt weiss ich nicht mehr, was sagen. Gehen wir noch ein paar Schritte zusammen? Wir können gerne ein anderes Mal weiter darüber sprechen.

Nach dem Gespräch

Erfahrenes vertraulich behandeln

Behalte private Dinge aus dem Gespräch für dich. Wenn du das Bedürfnis hast, mit jemandem darüber zu sprechen, dann sag nicht, um wen es geht. Wenn du jedoch das Gefühl hast, dass Handeln von aussen nötig ist, zum Beispiel bei Suizidgedanken, dann wende dich an die Dargebotene Hand, Telefon 143. Die Dargebotene Hand berät auch Personen im Umfeld von Menschen in Krisen.

Gib auf dich selbst acht

Es hilft niemandem, wenn du selbst krank wirst. Nimm dir Zeit für deine eigenen Bedürfnisse und Interessen. Die folgenden Impulse unterstützen dich dabei.

Psychische Gesundheit während der Stellensuche

Die Broschüre «Gesund auf dem Weg zum nächsten Job» (PDF, 16 Seiten) gibt Tipps, wie die psychische Gesundheit während dieser Zeit gestärkt wird und Abwehrkräfte gegen Belastungen mobilisiert werden können.